Dr. med.
Ruediger Dahlke
Die „Neue Medizin“
Große Aufregung um einen Mann und seine Medizin
DR. MED. RUEDIGER DAHLKE
Medizinstudium in München, Weiterbildung
zum Arzt für Naturheilverfahren und Psychotherapie (Reinkarnationstherapie).
Leitung von Fasten- und Meditationskursen und Seminare über Psychosomatische
Medizin. 1990 Gründung des „Heilkunde-Zentrums Johanniskirchen“.
Dort als Arzt und Psychotherapeut tätig.
In fast regelmäßigen Abständen lässt sich die Medizin
und mit ihr ganze Teile der Gesellschaft von dem Namen „Dr. Hamer“
in Aufruhr versetzen. Wo immer er erwähnt wird, sorgt er für eigentümliche
Aufgeregtheit. So war es auch, als er in der letzten CO´MED zu Wort kam.
Auch ich bin mir bewusst, dass jedes Erwähnen oder gar Schreiben über
das Phänomen „Hamer“ für Wirbel sorgen kann. Selten bin
ich so verbal geprügelt worden wie bei solchen Gelegenheiten. Nicht nur
die schulmedizinische Seite fällt nämlich über einen her, wenn
man das Hamer-Tabu bricht und sich mit ihm auseinandersetzt, auch die eingefleischten
Hamer-Fans reagieren äußerst genervt, wenn man auch nur ein bisschen
an ihrem Idol kratzt. Trotzdem halte ich es für wichtig, sich mit dem Phänomen
auseinanderzusetzen, und werde dieser Bitte der CO´MED-Redaktion –
wenn auch mit gemischten Gefühlen – entsprechen.Österreich hallte
im letzten Jahr wider vom Kampf um das Leben eines kleinen Mädchens namens
Olivia, das an Krebs, genauer einem Wilmstumor der Niere, erkrankt war. Das
Echo des Mediengewitters drang bis nach Deutschland. Die zugrunde liegende Situation
war an sich leider wenig ungewöhnlich, denn viele Kinder erkranken an Wilmstumoren.
Olivia unterschied sich nur dadurch von allen, dass die Öffentlichkeit
in solchem Ausmaß gar an ihrem Schicksal Anteil nahm.
Der medizinische und mediale Kampf um ihr Leben war einzigartig, und das lag
an dem Phänomen „Hamer“.
Olivias Eltern hatten sich, nachdem der bösartige Tumor bei ihrer Tochter
diagnostiziert wurde, an Dr. Hamer gewandt. In der Klinik fühlten sie ihr
Kind von Anfang an nicht gut versorgt, fürchteten vor allem, ihre sensible
Tochter könne die vorgeschlagene Chemotherapie nicht überstehen. Es
gelang den behandelnden Ärzten nicht, ihr Vertrauen zu gewissen, denn trotz
heftigem Protest holten sie Olivia aus dem Krankenhaus, um sie zu Hause behandeln
zu lassen.
Dr. Hamer ist ein Internist und ehemaliger Oberarzt, der sich durch einschneidende
Erlebnisse zu einem des schärfsten und extremsten Kritikers der Schulmedizin
gemausert hat.
Selbst unter Alternativtherapeuten nimmt er noch eine extreme Außenseiterposition
ein. Mutig und ziemlich unbescheiden nennt er seine Medizin schlicht die neue
und lässt damit alle anderen Richtungen alt aussehen. Die Schulmedizin
lehnt seinen Ansatz in Bausch und Bogen ab – ohne ihn – jedenfalls
nach seiner Ansicht – je angemessen geprüft zu haben. Nachdem Olivias
Eltern – wie viele andere vor und nach ihnen – sich von der Schulmedizin
abgewandt hatten, passierte zunächst gar nichts. Erst als sie Hamer ins
Spiel brachten, bracht ein fast gespenstisches Szenario los. Sie erlebten ein
regelrechtes Kesseltreiben, das in ihre Entmündigung von staatlicher Seite
mündete.
Schulmediziner wollten ihr Kind entgegen ihrem Willen zurück in ihre Behandlungsgewalt
bringen.
Die entmündigten und von der Androhung einer zwangsweisen Chemotherapie,
die sie für ein Todesurteil hielten, verängstigten Eltern flohen daraufhin
mit der Tochter vor dem Zugriff der Schulmediziner und versteckten sich zunächst
in Österreich und später in Spanien. Natürlich spürte die
Presse die Flüchtigen noch vor der Polizei auf und mit dem durchsichtigen
Argument, das Beste für Olivia zu wollen, entfesselten die Journalisten
einen beispiellosen Medienrummel. Die sichtbar schwer kranke Olivia wurde zum
Ausgangspunkt für quotensichere Storys, die Eltern gerieten ins Kreuzfeuer
der Kritik, da sie angeblich das Leben ihres Kindes gefährdeten.
Für Olivia begann eine furchtbare Tortur.
Dr. Hamer, der während Monaten offenbar keine andere Patienten zu behandeln
hatte und wohl die Chance witterte, endlich öffentliche Anerkennung zu
finden, war omnipräsent in den österreichischen Medien und stets an
der Seite von Olivia und ihrer Familie zu sehen. Das Kind wurde zu seinem ganz
persönlichen „Fall“ in einem schrecklichen Sinn. Als sich die
Kontrahenten Hamer und Olivias ursprünglicher Kinderarzt, der die Entmündigung
der Eltern bewirkt hatte, vor Fernsehkameras gegenüberstanden, wurde das
Ganze sehr ehrlich.
Es ging kaum um das Kind, sondern nur darum, welche Seite Recht habe:
Hamer gegen den Rest der schulmedizinischen Welt.
Olivia war nur der Zankapfel zwischen den Fronten, und dabei brauchte sie nichts
dringender als eine adäquate Behandlung, die seelische Unterstützung
ihrer Eltern und vor allem auch Ruhe. Hamer, der – weiterhin Zuversicht
ausstrahlend – auf die Eltern wie ein ruhender Fels in der Brandung des
Mediengewitters wirken musste, wurde immer mehr zum Staatsfeind hochstilisiert
und als eigentlich Schuldiger erkannt.
Auf Verführung, Kurpfuscherei, Sektierertum und sogar des versuchten Totschlages
lautet das Medienurteil.
Alte Patientengeschichten, die bis dato kein Anlass zur Verfolgung waren, wurden
ausgegraben und gegen ihn verwendet. Wenn es je eine Vorverurteilung gab, war
es hier. Der Schuldspruch erfolgte durch die Medien und ohne auch nur den Anschein
einer fairen oder seriösen Untersuchung der eigentlich wesentlichen medizinischen
Fragen. Die ganze Zeit über verschlechterte sich Olivias Gesundheitszustand,
was die Schulmediziner entsetzte, während Hamer – seiner Theorie
entsprechend – das Tumorwachstum für normal und sogar gesund im Sinne
der Selbstheilung erklärte. Spätestens nach Fernsehbildern von einem
immer stärker aufquellenden Kinderbauch hielten wohl auch die letzten seiner
eigenen Zunft Hamers Äußerungen für nicht mehr ganz normal,
sondern ihn eher für unzurechnungsfähig. Wegen paranoider Persönlichkeitsentwicklung
im Zusammenhang mit seiner Krebstheorie hatte man ihm schon Jahre zuvor in der
Bundesrepublik Deutschland die Approbation und damit die Erlaubnis zur Ausübung
der ärztlichen Heilkunde entzogen. Inzwischen kochte in Österreich
die Volksseele, vom Bundespräsidenten bis zur Politik bemühten sich
so ziemlich alle ebenso redlich wie vergeblich. Endlich gelang es der nach Spanien
geflogenen Kinderärztin Marcovich, die für ihre ganzheitliche Einstellung
selbst ins Feuer der Kritik geraten war, Hamer und Olivias, unter der Bedingung,
dass die Eltern bei allen Behandlungsvorschlägen zugezogen würden
und mitentscheiden dürften.
Kaum aber war Olivia der Schulmedizin übergeben, war dieses Versprechen
nicht mehr der Rede wert.
Behörden, die sonst selbst mit Terroristen ziemlich ehrlich verhandeln
und sich an einmal gemachte Zugeständnisse relativ genau halten, verloren
plötzlich sämtliche Skrupel. Da es gegen Hamer ging und scheinbar
der Ruf der Schulmedizin auf dem Spiel stand, schien der Zweck so ziemlich alle
Mittel zu heiligen.
Schließlich kam es sogar zu einem Haftbefehl gegen Hamer.
In Deutschland ließen sich die Behörden von der Hysterie anstecken
und stellten ebenfalls einen Haftbefehl aus, im Zuge dessen Hamer auch angeklagt
und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde. Man konnte ihm leicht nachweisen,
dass er ohne Approbation Krebspatienten behandelt hatte, was in Deutschland
verboten ist. Dass bei ihm Krebspatienten gestorben waren, wurde ihm zu Verhängnis.
Konsequenterweise müsste man dann aber jeden Arzt ins Gefängnis schicken.
Denn es gibt wohl keinen, der Krebspatienten behandelt, dem nicht auch schon
Patienten gestorben wären.
Der Unterschied war aber, dass das bei approbierten Ärzten durchaus erlaubt
ist, da man Hamer aber die Approbation entzogen hatte, konnte man ihn dafür
ins Gefängnis schicken. In der Bevölkerung gilt er seither als verurteilt
und viele denken, dass habe mit seiner Krebstheorie zu tun, die dadurch gleichsam
gerichtlich für falsch erklärt wurde. Insgesamt hat es natürlich
mit dieser Theorie zu tun, aber offiziell konnte er lediglich für sein
Weiterarbeiten als Arzt verurteilt werden, obwohl man ihm Berufsverbot erteilt
hatte.
Seine Theorie ist davon völlig unberührt.
Aber auch dieser formale Trick, sich Hamer für einige Zeit auf juristischem
Weg vom halse zu schaffen, konnte an der Situation nicht viel ändern. Der
Stand der Dinge ist, dass Hamer auch im Gefängnis – wie eigentlich
zu erwarten – nicht von seiner Theorie abgeschworen hat und seine Anhänger
noch aufgebrachter als vorher mobil machen. Olivia, die gegen den Willen der
Eltern ins künstliche Koma versetzt und mit Chemotherapie behandelt wurde,
ist inzwischen dank der schulmedizinischen Zwangstherapie wieder einigermaßen
wohlauf und gilt der Schulmedizin als geheilt, während ihre Eltern auf
die bleibenden Schäden hinweisen.
Die Begleitumstände der Zwangstherapie sind es wert, genauer betrachtet
zu werden, um zu durchschauen, was für eine Posse hier ablief:
Olivias kämpferischer Vater bekam zeitweise Besuchsverbot bei seiner Tochter
und durfte, wenn überhaupt, nur nach Leibesvisitation für einige Minuten
zu ihr. Man hatte in der Klinik Angst, er könne trotz Verbot Photos von
Olivia machen, Bilder, die sie in ihrem schrecklichen Leiden unter der Chemotherapie
zeigten.
Zu fragen wäre hier:
Wie kommt eine Klinikleitung eigentlich dazu, einem Vater zu verbieten, seine
Tochter zu photographieren?
Aber wenn der Name Hamer im Spiel ist, geht nur noch wenig mit rechten Dingen
zu.
Die ganze beispiellose Eskalation hätte eine Fülle grundsätzlicher
Fragen aufwerfen müssen. Die meisten davon gelten aber als ketzerisch,
da die öffentliche Meinung darauf eingeschworen worden ist, in Dr. Hamer
den Alleinschuldigen zu sehen. Statt einer seriösen Untersuchung des ganzen
Dramas wurde lieber die Gelegenheit genutzt, gleich nebenbei Rundumschläge
gegen alle Alternativen zur Schulmedizin zu führen. Die Geschichte zeigt
in meinen Augen auch, wie weit es mit der Medizin gekommen ist und wie dringend
sie Ergänzungen und, was ihr mangelndes Verständnis für alles
Seelische angeht, sogar Alternativen braucht. Nur zu gern wurde übersehen,
dass das Elend damit begann, dass es den ursprünglich behandelnden Schulmedizinern
in der Klinik auch nicht annähernd gelang, das Vertrauen von Olivias Eltern
zu gewinnen und sie von den in diesem Fall ja durchaus verfügbaren schulmedizinischen
Therapiemöglichkeiten zu überzeugen. Das war umso bedauerlicher, als
in diesem speziellen Fall die Schulmedizin laut Statistik neun von zehn Kindern
helfen kann, da Wilmstumoren außergewöhnlich gut auch Chemotherapie
ansprechen. Dass es Hamer gelang, auf der menschlichen Ebene das unbedingte
Vertrauen der Eltern zu gewinnen, ist ihm nicht vorzuwerfen, denn das gehört
in solch einer Situation eigentlich zu den Aufgaben eines Arztes. Dass die Schulmediziner
hierzu unfähig waren, zeigt eher deren Defizit.
Die noch so richtigen Infusionen nützen oft wenig, wenn die richtigen Worte
fehlen.
Enttäuschte verängstigte Eltern mit der Polizei verfolgen zu lassen,
zeugt auch nicht gerade von Einfühlungsvermögen in die seelischen
Bedürfnisse eines todkranken Kindes. Was geschieht eigentlich, wenn die
Heilungschancen einmal umgekehrt stehen? Sollen in Zukunft auch Eltern entmündigt
werden, um ihr Kind einer Zwangschemotherapie zu unterziehen, bei der statistisch
nur eines von zehn Kindern überlebt? Zumindest müsste man solche Fragen
angesichts solcher Übergriffe stellen dürfen. Glaubt man wirklich,
man könne einen Arzt wie Hamer, der bereits alles verloren hat, durch eine
Gefängnisstrafe auf dem Boden rein formaler Dinge mundtot machen? Bei Hamers
Struktur wäre das wohl selbst in einer Diktatur nicht leicht. In einer
Demokratie wirken solche Versuche geradezu lächerlich. Müssten Ärzte
ihn nicht endlich inhaltlich widerlegen, statt darauf zu hoffen, dass ihnen
Staatsanwälte mit formalen Tricks abnehmen, was sie selbst offenbar nicht
schaffen?
Hier ergibt sich schon ein schrecklicher Verdacht:
Ist etwa an Hamers Thesen doch soviel Wahres dran, dass sie medizinischerseits
nicht schlüssig zu widerlegen sind?
Das sind Fragen, die nur Medizyniker ruhig lassen können und eigentlich
jedem wirklichen Arzt das Blut stocken lassen müssen. Die Lösung kann
nur und muss von Seiten der Ärzteschaft kommen, das ist kein Fall für
Staatsanwälte, Journalisten und Politiker. Hamer selbst wird wohl wenig
beitragen und aus dem Ganzen auch nichts lernen wollen. Er gibt vor, schon alles
zu wissen und die allein seligmachende Wahrheit gefunden zu haben. Abgesehen
davon, dass sich jeder, der 100-prozentige Heilversprechen bei einer Krankheit
wie Krebs macht, den Vorwurf der Scharlatanerie zuzieht, bleibt seine Theorie
doch zumindest insofern wichtig, als viele Laien an sie glauben. Allein schon
um deretwillen muss diese Theorie endlich seriös geprüft und widerlegt
oder aber – was theoretisch, bis das Gegenteil bewiesen ist, möglich
ist – als wahr erkannt werden. Immerhin wurden von der Medizin auch schon
Ärzte wie Ignatz Semmelweis und Wilhelm Reich als wahnsinnig hingestellt
und erst nach ihrem Tod rehabilitiert. Tausende von Müttern mussten erst
noch sterben, bis die offizielle Schulmedizin zugab, dass Semmelweis Recht hatte
und die Ärzte tatsächlich selbst das Problem waren, da sie durch ihr
sogloses Tun die lebensgefährlichen Erreger zu den Schwangeren brachten.
Auch Hamer geht davon aus, dass erst durch die schulmedizinischen Krebsbehandlungen
die oft hoffnungslose Situation entsteht.
Typisch ist, dass wir erst so spät in diesem Artikel zu seiner eigentlichen
Theorie kommen. Das ist inzwischen leider überall so, wo es um ihn geht.
Zwar wird über ihn viel diskutiert und in Ärztekreisen vor allem geschimpft,
mit seinen Thesen befasst sich vor lauter Abwehr aber kaum noch jemand. Hamer
behauptet, dass ausnahmslos jedem Krebs ein seelischer Schock vorausgeht, der
zu einem Tumor im Gehirn führt, aus dessen Lokalisation sich Krebsart und
–ort im Körper ergeben. Diese Regel nennt er die eiserne und besteht
auch eisern darauf, dass es davon keine Ausnahmen gebe. Ganz abgesehen von dem
Fanatismus, mit dem er seine Position vertritt, haben schon vor ich und bis
heute viele Psychoonkologen vom Simonton über LeShan bis zu Büntig
und mir darauf hingewiesen, welch zentrale Rolle die Seele bei Entstehung und
Verlauf von Krebs spielt. 1 Hamer und sein egomanes Auftreten werden inzwischen
sogar zu einer Gefahr für diese viel versprechenden und sicher nicht immer,
aber häufig erfolgreichen Ansätze. Auch wir finden bei unserer vierwöchigen
Krankheitsbilder-Psychotherapie mit Krebspatienten sehr häufig ein schockhaft
unverarbeitetes Erlebnis in der Vorgeschichte, das offenbar das Immunsystem
blockiert und dem Krebs erst die Chance gibt, wirklich auszubrechen.
Hamers Theorie klingt verblüffend einfach und unter einem bestimmten Blickwinkel
geradezu genial:
Wenn ich seine psychologisch ziemlich naiv klingenden Deutungen wie etwa den
Konflikt, den Brocken nicht erwischt zu haben, gutwillig prüfe, stelle
ich fest, dass drei Viertel davon gut mit meinen Deutungen in „Krankheit
als Symbol“ übereinstimmen. Natürlich kann man seine Bücher
leicht in Bausch und Bogen ablehnen, denn sie sind zum großen Teil angefüllt
mit Schimpfkanonaden auf seine Gegner. Dazu mischt er Erzählungen vom eigenen
harten Schicksal mit der Ermordung seines Sohnes, die er ständig mit seiner
Theorie auf eine wirklich unerquickliche Art vermischt. Aber dazwischen finden
sich dann doch wieder Interpretationen, die es zu widerlegen oder zu würdigen
gilt. Wenn sie so falsch sind, wie Schulmediziner immer wieder behaupten, müssten
sie sie leicht und jederzeit widerlegen können.
Nichts anderes als eine ehrliche Prüfung verlangt übrigens Hamer seit
vielen Jahren vergeblich.
Er behauptet weiter, dass bei jeder bisherigen Prüfung seine eiserne Regel
bestätigt worden sei, nur die Prüfer danach vom Rest der Schulmediziner
geächtet worden seien. Einige Hinweise bestätigen diese Behauptung.
Selbst wenn seine Theorie nur in Teilen stimmt, könnte sie schon Wesentliches
zum Kampf mit dem Krebs beitragen.
Es wäre geradezu die Pflicht einer Medizin, die auf das Prädikat wissenschaftlich
stolz ist, darauf mit der gebotenen kritischen Distanz, aber auch mit Sorgfalt
einzugehen.
Ein weiteres Problem mit Hamer ist, dass er neben seiner Grundtheorie noch eine
Menge offensichtlich haltloser und von keiner oder nur geringer Kenntnis getrübte
Aussagen auf äußerst apodiktische Art von sich gibt, mit deren Zitierung
er sich sofort lächerlich macht und gemacht werden kann. Obendrein verdächtigt
an Hamers Theorie erscheint mir, der ich Krebs ebenfalls als ein äußerst
eng mit der Seele verknüpftes Geschehen kennengelernt habe, dass Hamer
gar keinen Raum für psychotherapeutische Behandlung lässt, obwohl
er immer seelische Gründe als Ursachen anschuldigt. Aus schulmedizinischer
Sicht läuft seine Methode auf völlige Nichtbehandlung hinaus, was
u. a. daran liegt, dass man dort die Psyche fast völlig ignoriert. Dem
Psychotherapeuten in mir fällt aber auch bei Hamer auf, dass er aus seiner
Ansicht kaum Konsequenzen zieht in Richtung einer wirksamen Psychotherapie.
Er predigt zwar, der zugrunde liegende Konflikt müsse gelöst werden,
dieser Hinweis allein nützt den Patienten aber wenig.
Sie brauchen Hilfestellungen zu solch einer Lösung.
Bekommen sie diese im Rahmen einer Psychotherapie oder schaffen sie es aus eigener
Kraft, kann das zu Spontanremissionen führen, wie die Schulmedizin Heilungswunder
schamhaft umschreibt. Obwohl ich solche Heilungsphänomene miterleben durfte,
halte ich Hamers Ablehnung von auch praktisch allen naturheilkundlicher Begleitmaßnahmen,
die etwa die geschwächte Abwehrkraft steigern könnten, für geradezu
unverantwortlich.
Krebs ist ein so bedrohliches Krankheitsbild, dass man grundsätzlich nichts
unversucht lassen darf, was Erfolg verspricht.
Dass Hamer den Zusammenhang zwischen Rauchen und Bronchialkarzinomen, zwischen
chronischer Verstopfung g d Enddarmkrebs, zwischen der Katastrophe von Tschernobyl
und den gehäuften kindlichen Leukämien leugnet, ist nur ein insgesamt
lächerliches Anhängsel seiner Theorie, das aber keineswegs ausreicht,
den ganzen Ansatz zu widerlegen. Auch dass Hamer offensichtlich nicht den geringsten
Zugang zur Homöopathie hat und diese schon mal locker als wertlos bezeichnet,
sollte uns nicht verleiten, ihn in Bausch und Bogen zu verdammen. Es gibt leider
noch so viele Ärzte, die keine Ahnung von Homöopathie haben. Sie alle
abzulehnen, hieße auch die meisten Schulmediziner abzulehnen. Trotz all
dieser und weiterer Peinlichkeiten kann ich Hamers Theorie doch ernst nehmen,
nur leider nicht prüfen, denn dazu bedarf es der Ausrüstung mit moderner
Apparatemedizin wie Computertomographen, über die allein die Schulmedizin
verfügt.
Insofern kommt ihr als seinem Hauptgegner auch die Aufgabe seiner Widerlegung
(oder Bestätigung) zu.
Schließlich kommt im Fall Hamer noch ein besonders heikler Punkt hinzu,
der die Schulmedizin besonders erregt und ihr einen weiteren Vorwand liefert,
seine Theorie so komplett zu ignorieren:
Er behauptet nämlich, seine Einsichten über mediale Eingebungen durch
seinen verstorbenen Sohn erhalten und jedenfalls bestätigt bekommen zu
haben. Hier beginnt für viele materialistisch eingestellte Menschen, wie
es die meisten Wissenschaftler sind, psychiatrisches Gebiet, und in diese Ecke
haben sie Hamer ja auch abgeschoben. Menschen mit spirituellem Hintergrund wissen
jedoch, dass viele heilige Schriften durchgegeben oder – modern ausgedrückt
– gechannelt sind. Auf dem spirituellen Weg begegnen einem solche Phänomene
gar nicht selten. Auch bezüglich der Channel-Szene könnte man feststellen,
dass das meiste, was uns auf diesem medialen Weg erreicht, zwar gut gemeinter,
aber doch leicht durchschaubarer und meist aus den Egoproblemen des „Kanals“
gespeister Unsinn ist.
Aber folgt daraus, dass es immer so ist?
Sind das Johannesevangelium und der Koran nicht erwähnenswerte Gegenbeispiele?
Die Existenz von Falschgeld spricht eben gerade nicht dafür, dass alles
Feld Falschgeld ist, sondern belegt im Gegenteil sogar eher, dass es auch echtes
geben muss. Diese Erkenntnis kann nicht nur beim Phänomen von medialen
Durchgaben helfen. Das fordert im Zusammenhang mit Dr. Hamer von der Ärzteschaft
zugegebenermaßen viel Demut, die sich Hamer mit seinen beleidigenden Rundumschlägen
kaum verdient hat. Wenn es aber um die Wahrheit in einem der kritischsten Bereiche
der Medizin und um das Leben vieler zukünftiger Patienten geht, müsste
es doch möglich sein, als der klügere Teil nachzugeben. Kommt es zu
keiner Aufarbeitung des bereits zerschlagenen Porzellans, werden die Folgen
des Dramas immer irrationalere Formen annehmen.
Wem ist geholfen, wenn Hamer rufmäßig weiter öffentlich hingerichtet
wird – ohne Beweise und ohne seriöse Untersuchung?
Für seine Anhänger wird er so immer mehr zum Märtyrer und seine
eigene Verschwörungstheorie bekommt weitere Unterstützung. Die Schulmedizin
könnte sich fragen, ob sie es wirklich nötig hat, sich Patienten mittels
Staatsgewalt zwangsweise zuführen zu lassen. Was Hamer selbst angeht, wäre
zu bedenken, dass es nicht einmal die Sowjets seinerzeit geschafft haben, ihre
Kritiker mittels Psychiatrisierung mundtot zu machen. Und Hamer ist ein ausgesprochener
Dissident, wenn auch ein medizinischer. Soll seine Theorie, die tatsächlich
das ganze Lehrgebäude der Schulmedizin grundsätzlich in Frage stellt,
vom Tisch, bleibt letztlich nur der Weg der seriösen Überprüfung,
nicht einmal nur Dr. Hamer, sondern seine zukünftigen Patienten, die die
Schulmedizin lieber Opfer nennt, zuliebe. Entweder entzieht ihm die vorbehaltlose
Überprüfung seiner Thesen alle weiteren Opfer oder die beschert ihm
beziehungsweise jenen Psychotherapeuten, die wirkliche Hilfe im seelischen Bereich
anbieten, eine Flut von neuen Patienten – je nach Ergebnis.
Nachdem sie sich so siegessicher und überlegen fühlt, müsste
die Schulmedizin dieses „Risiko“ doch leicht eingehen können.
Alles andere trägt nur zu weitere Verwirrung bei und schade obendrein den
übrigen Ansätzen im Bereich der Psychoonkologie.
1 siehe hierzu das allgemeine Kapitel „Krebs“ in „Krankheit als Sprache der Seele“ oder die Kapitel zu Brustkrebs, Gebärmutterkrebs und die anderen gynäkologischen Krebsarten in „Frauen-Heil-Kunde“ (beide bei Bertelsmann)