Dr. med. H. U. Leuzinger
CH- 8001 Zürich

Zürich, 1.9.1997

Justizministerium NRW
Herrn Justizminister Behrens (persönlich)


Martin-Luther-Platz 40

D-40212 Düsseldorf

Zum Prozeß Dr. med. Ryke Geerd H A M E R am Amtsgericht Köln vom 29. August 1997

Sehr geehrter Herr Justizminister

Mein dringlicher Appell vom 24.8.1997 an Sie, für den dritten Prozeßtag gegen Dr. Hamer, den 29.8.1997, zum Wahrung der Menschenrechte, der Integrität der Deutschen Justiz und damit der Rechtsstaatlichkeit der BRD zum Rechten zu sehen, erschien mir als erneuter Ärztlicher Prozeßbeobachter (diesmal in der Gesellschaft vier weiterer Ärzte und einer Zahnmedizinerin aus Belgien, Spanien und der Schweiz) am letzten Verhandlungstag (29.8.97) als verhallt - näherten sich doch die Verhältnisse an diesem Tag den Praktiken einer DDR- oder anderer totalitärer Justiz, wo niemand mehr sich die Mühe macht, wenigstens das rechtsstaatliche Gesicht zu wahren. Deshalb möchte ich Ihnen als Augenzeuge die nirgends in den Medien sachlich berichteten schockierendsten Geschehnisse an diesem Gericht zur Kenntnis bringen:

Die gegenüber dem 20. und 22.8.1997 verdoppelte Anzahl der Prozeßbesucher ließ dank mangelndem Sitzplatzangebot die Hälfte im Saal stehen, zu spät Gekommenen wurde (anders als an den Vortagen) der Zutritt bereits verweigert. Plötzlich wurden die ruhig und diszipliniert Stehenden im Saal, für niemanden vernünftig einsehbar, des Raumes verwiesen, worauf die Sitzenden die Stehenden durch stilles Zusammenrücken in ihre Mitte aufgenommen haben. Der erste Prozeßunterbruch unter Schließung des Saales wurde dazu benutzt, daß Polizeikräfte bei Wiederbeginn der Verhandlung die Sitzplätze zuwiesen, worauf die Hälfte der Besucher ausgesperrt blieb. Die im Saal Verbliebenen reklamierten - akustisch durchaus moderat - ihr verbrieftes demokratisches, eine Stunde zuvor noch vom Richter selber öffentlich zugesichertes Recht uneingeschränkter Öffentlichkeit dieses Prozesses, was dem in dieser Situation jede Souveränität vermissen lassenden Vorsitzenden, sichtlich belastet von soviel Ohren- und Augenzeugen, den Anlaß gab, den Saal polizeilich räumen zu lassen. (Es sei angefügt, daß er sich auf eine vorangehende Räumungsandrohung berief, die auf eine spontane Beifallskundgebung der Besucher von ca. zwanzig Sekunden ruhigem, von keiner andern Äußerung begleitete Händeklatschen, erfolgte. Diese spontane Gefühlsäußerung als Affirmation zur Verteidigung war von grundsätzlich "freundlicher", niemanden herabsetzenden Qualität und wäre der hochdisziplinierten Beherrschung der Besucher anzurechnen, die aufzubringen war, unmißverständlich feindselige, wahrhaft unerhörte (zumindest von den die Öffentlichkeit de jure vorrangig vertretenden sog. Medien) Äußerungen des Gerichtsvorsitzenden stumm zu ertragen, der die Akten des sog. Falles Hamer bzw. des medizinischen Schulenstreites "KÄSE", ich wiederhole, weil auch ich meinen Ohren kaum trauen wollte, "Käse" nannte, ausführlicher: "ich muß mich mit diesem KÄSE! (angesprochen auf und deutend auf den Aktenstoß) herumschlagen". Daß hier also der Richter selber, gestreßt und unter sichtlich enormem Druck (die Medien warfen kurz zuvor präventiv als Druck der Straße "Laschheit der Justiz im Falle Dr. Hamer" in die Schlagzeilen ihrer Millionenauflagen) den "Tumult der Hamer-Fans" - wie wir alle entwertenderweise bezeichnet zu werden zu ertragen haben - durch seinen grundverfassungswidrigen Öffentlichkeitsausschluß inszenierte, sei Ihnen, sehr geehrter Herr Justizminister, von einem seiner Sinne und Urteilskraft mächtigen Prozeßbeteiligten übermittelt.

Die erschreckende Befangenheit und offenkundliche Instrumentalisierung des Gerichtsvorsitzenden (die Qualifikation von der Rechtsfindung dienenden Gerichtsakten als "Käse" würde in der Schweiz zu seiner sofortigen Aussetzung führen) offenbarte sich mit verheerender Wirkung auf die m.E. nach drei selbsterlebten Prozeßtagen tatsächlich vorsätzlich irregeführten Öffentlichkeit in der Behandlung des Vorhaltes Dr. Hamers an Staatsanwaltschaft und Gericht, daß eine Psychiatrisierung seiner Person analog der UdSSR vorgenommen worden war (Stichwort Frankfurter Falle). Der Vorsitzende verlas daraufhin das Resümee sämtlicher justizialischer Handlungen und Urteilsbegründungen des Falles Dr. Hamer, worin die Beurteilung von dessen Persönlichkeit durch einen Psychiatrieprofessor den zentralsten Raum einnahm, deren unsägliche Quintessenz in der Etikettierung als "geistesschwache, psychopathische Persönlichkeit mit wahnhaft unbeeinflußbaren Überzeugungen" mündete. Ich darf Ihnen mitteilen, daß jeder redliche, seiner Wissenschaft und demokratischer Gesinnung verpflichtete Arzt (und mindestens sechs solcher Ärzte haben diesem letzten Prozeßtag als Ohren- und Augenzeugen beigewohnt) ein forensisch-psychiatrisches Urteil, das sich nicht auf in tiefer Würdigung in einer höchstpersönlichen, unmittelbaren Beziehung zum Untersuchten (der sich im Falle Dr. Hamers vor einer inhaltlichen Überprüfung seiner Erkenntnisse selbstverständlich weigern mußte, seine Person zum zentralen Gegenstand zu machen!) erhobenen Befunde des Sachverhaltes und aller sozialer, seelischer und mentaler Dimensionen und Kräftewirkungen seiner Persönlichkeit stützt, für Makulatur hält und weiß, daß ein solcher ärztlicher Kollege, der als sog. Experte ohne persönlichen Kontakt zum Beurteilten nur aufgrund Meinungsäußerungen potentiell befangener Dritter (inkl. und vor allem medial verbreiteter Urteile), Verhaltensinterpretationen und wissenschaftlich zwar kontroversen, aber noch nicht öffentlich verifizierten Anschauungen des zu Beurteilenden (zu dem ihn noch genau dieser Schulenstreit als damit befangenen Angehörigen der von jenem in Frage gestellten Schulmeinung trennt) urteilt, zum erbärmlichen Gehilfe der jeweilig vorherrschenden Macht wird, sei sie nun die des III. Reichen, der DDR, UdSSR, China, die alle Oppositionellen unter Beihilfe genau solcher ärztlicher Experten, verschwinden ließ. Daß am gleichen Abend Millionen von Menschen exakt diesen bösartige und verhöhnende, jeder Wirklichkeit bare "Experten"-Urteil als einzig schmackhaften Brocken in der Boulevardpresse vorgesetzt erhielten, kommt einer öffentlichen Exekutierung Dr. Hamers gleich. Daß jeglicher Vorhalt der Verteidigung, daß sehr wohl andere öffentliche psychiatrische Beurteilungen unkorrumpierter Ärzte vorliegen, die Dr. Hamer vollste seelisch-geistige Gesundheit attestieren, vom Vorsitzenden verächtlich mit Nichteintreten beantwortet wurden, kommt elementarer Rechtsverweigerung gleich.

Die diskussionslose Zurückweisung sämtlicher Anträge Rechtsanwalt Mendels, es seien zum Entscheid, ob das Heilpraktikergesetz im Falle Dr. Hamers überhaupt anwendbar sei, bevor die "Unschädlichkeit" der biologischen Erkenntnisse der Neuen Medizin und deren ärztliche Anwendung auf die Volksgesundheit nicht widerlegt sei, als Zeugen nachweislich weit über die onkologisch übliche 2-Jahresgrenze geheilte Krebspatienten und mit den Erkenntnissen der Neuen Medizin befaßte anwesende Ärzte zuzulassen, um das Vorliegen eines tatsächlich herrschenden Schulenstreites in der Medizin erkennen zu können, mit dem den Richter wiederum als Juristen tief disqualifizierenden Argument, das gehöre nicht zum Gegenstand, erschien unabweisbar als Rechtsverweigerung mittels primitivster Willkür.

Unter dem Eindruck, daß hier ein gewalttätiger Wille einen Arzt größter Geisteskraft, deren Erkenntnisse über bisher unheilbare menschliche Erkrankungen von unabsehbarer Bedeutung sind, tatsächlich mit allen außerdemokratischen Mitteln unterdrückt werden (davon haben mich diese drei Prozeßtage leider schockierend überzeugt!) zum Verstummen bringen will, werde ich darum bemüht sein, daß neben erweiterter ärztlicher Präsenz auch namhafte Juristen aus der Schweiz dem weiteren Geschehen am vierten Prozeßtag, dem 5.9.1997, beiwohnen werden.

Herr Justizminister, wäre es denn für die Deutsche Justiz nicht ein Leichtes, diesen offenbar äußerst lästigen Dr. Hamer der behaupteten "Scharlatanerie" zu überführen und der ihn persönlich ein für alle Mal vernichtenden öffentlichen Lächerlichkeit preiszugeben, wenn Sie oder das Bundesministerium für Justiz anordneten (was eigentlich nur die rechtskräftige Vollstreckung des Tübinger Urteils darstellte), daß vor laufenden Kameras der Eurovision ein internationales, hochkarätiges Ärztegremium der europäischen Hochschulkliniken Dr. Hamer die komplexesten, schwersten Krebskranken und andere qualvoll leidenden Patienten vorstellte, dem er live beweisen müßte, daß mehr als "wahnhafte Überzeugung" gefragt ist, um vor solcher Autorität und Öffentlichkeit zu bestehen? Es müßte für Hochschulmediziner ein Leichtes sein, die stets behauptete abgründige Abwegigkeit und Abstrusität der Neuen Medizin definitiv zu demonstrieren. Dann wäre alles klar, für die Öffentlichkeit, für die Justiz, der Schulenstreit wäre beendet, die Justiz nun wirklich zuständig, diesem Mann das Handwerk zu legen, und die anerkannte Medizin könnte legitimiert ihre milliardenschwere Forschung - auch bis anhin ohne vorzeigbaren Erfolg - fortsetzen. Auch Sie persönlich wären dieses öffentliche Ärgernis los, die Rechtsstaatlichkeit wieder intakt.

Geschieht diese oder eine in bescheidenerem Umfang wissenschaftlich-öffentliche Klärung des medizinischen Schulenstreit aber nicht, rufe ich Ihnen auch namens vieler ernsthafter, aber heute hochalamierter Ärzte ins Gewissen, daß Sie persönlich die umwälzende Dimension, die diesem Prozeßgegenstand (für Sie wenn auch nur "eventualiter" zu erwägen!) innewohnt, übersehen könnten und sich die menschliche Klage unterlassener Hilfeleistung in nicht mehr zählbarer Anzahl zuziehen könnten. - Auch deswegen, zu Ihrer Entlastung, verständige ich das Deutsche Bundesministerium für Justiz, die Europäische Menschenrechtskommission (EMRK) und den mir noch unabhängigen erscheinenden Teil der Presse, damit nicht ohne Mitwissen unabhängiger Geister ein großer Mann, den ich als Forscher und Arzt für alle Menschen denkbar unentbehrlich und in tiefstem Sinne als "not-wendig" erkennen kann, in der Versenkung verschwindet.

Hochachtungsvoll

Dr. med. H.U. Leuzinger

z.K. an: Herrn Dr. med. Ryke Geerd Hamer, Strafvollzugsanstalt Köln-Ossendorf
Herrn Rechtsanwalt Mendel, Krefeld
Bundesjustizminister der BRD, Bonn
Europäische Menschenrechtskommission, Brüssel
Redaktion "taz", Berlin